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Ergebnisse internationaler Arbeitsgruppe in Nature Physics

In­no­va­tive Zeit­mes­sung für ul­t­ra­schnelle E­lek­tro­nen­pro­zes­se

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  • Forschung
Portrait von Wolfram Helml © Wolfram Helml​/​TU Dortmund
Ein internationales For­schungs­team hat mit einer inno­va­ti­ven Technik eine Art Stoppuhr ent­wi­ckelt, um ul­t­ra­schnelle E­lek­tro­nen­pro­zes­se in Atomen zu vermessen. Konkret geht es um Auger-Elektronen, die Atome nach dem Beschuss mit hochenergetischer Röntgenstrahlung innerhalb von Femtosekunden freisetzen. Die Er­geb­nisse der Ar­beit, an der auch JProf. Wolfram Helml von der TU Dort­mund be­tei­ligt war, wurden jetzt in Nature Physics ver­öf­fent­licht.

Seit ei­nem Jahrzehnt liefern Röntgen-Freie-Elektronen-Laser (XFELs) wie die Linac Coherent Light Source im kalifornischen Stanford, USA, intensive und sehr kurze Röntgenpulse. Mithilfe dieser Technik lassen sich Bilder von Ma­te­ri­alien auf atomarer Ebene aufnehmen, noch bevor der Strahlenschaden die Probe zerstört. Außerdem kön­nen sie sehr schnelle strukturelle Prozesse auf der Zeitskala von Elektronenbewegungen be­ob­ach­ten. Dass dies so­gar im Bereich von Attosekunden (1 as = 10⁻¹⁸ s) gelingt, hat nun ein 40-köpfiges internationales For­schungs­team gezeigt.

Das Team hat sich einen fundamentalen Prozess vorgenommen, mit dem ein atomares System nach Beschuss mit ei­nem Röntgenpuls Energie abgibt und dabei Elektronen freisetzt, den sogenannten Auger-Prozess. „Der Röntgenpuls regt das Atom an“, er­klärt JProf. Helml. „Wir haben dann beobachtet, wie es sich wieder abregt und sozusagen entspannt.“

Durch die Strahlung wird das Atom zu­nächst ionisiert, indem ein Elektron herausgelöst wird, man spricht von Photo-Elektron. Beim Auger-Prozess füllt dann zuerst ein anderes kernnahes Elektron das entstandene Loch und gibt einen Teil seiner Energie wiederum an ein drittes, weniger stark gebundenes Elektron ab. Dieses Auger-Elektron kann dadurch ebenfalls das Atom verlassen. Das For­schungs­team wollte der Fra­ge nachgehen, in welchem zeitlichen Abstand das Auger-Elektron dem Photo-Elektron im Falle des Edelgas Neon folgt. Das Problem: Die üblichen Messverfahren sind nicht präzise genug, um derart schnelle Prozesse im Bereich von wenigen Femtosekunden (einer Millionstel einer Milliardstel Sekunde) zu be­ob­ach­ten. Ein Flackern bei der Anregung der Neon-Atome mit dem Röntgenlaser, im Jargon auch Jitter genannt, stört die Messung. Es bedarf eines Tricks, um aus zehntausend unscharfen Bildern ein präzises Ergebnis zu er­hal­ten.

Neue Technik: Selbstreferenziertes Streaking

Der Schlüssel zur Beobachtung ist eine in­no­va­ti­ve Art der Modulation der Auger-Elektronen und der Photo-Elektronen, die dadurch einer ge­mein­samen zeitlichen Ordnung unterworfen wer­den, die man messen kann. Der Hauptautor der Studie, Dan Haynes, Doktorand in einer Gruppe des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) bei Studienleiter Prof. Adrian Cavalieri vom Paul Scherrer Institut (PSI), er­klärt zu der neuen Technik: „Selbstreferenziertes Streaking…“ so der Name der Methode, „…ermöglichte es uns, die Verzögerung zwischen Röntgen-Ionisation und Auger-Emission in Neongas mit Sub-Femtosekunden-Präzision zu messen, obwohl der Timing-Jitter während des Ex­pe­ri­ments im Hundert-Femtosekunden-Bereich lag. Das ist so, als würde man versuchen, das Ende eines Rennens zu fotografieren, wenn der Kameraverschluss jederzeit in den letzten zehn Se­kun­den auslösen könnte.“

JProf. Wolfram Helml vom Zentrum für Synchrotronstrahlung der TU Dort­mund führt aus: „Die zeitliche Vermessung des Auger-Zerfalls in Neon liefert die Bestätigung von fundamentalen atomaren The­o­ri­en an vorderster Front der Wis­sen­schaft und eröffnet gleichzeitig ein breites neues Forschungsfeld mit Röntgenlasern.“ Beispiele sind die struktur-spezifische Erfassung von ultraschnellen elektronischen Prozessen mit weitreichenden Folgen für das Verhalten von komplexen organischen Molekülen und für die Ent­wick­lung funktionaler Ma­te­ri­alien, aber auch bildgebende Methoden, die das „Fotografieren“ von einzelnen Molekülen am Röntgenlaser überhaupt erst mög­lich ma­chen.

Im inter­natio­nalen For­schungs­team forschen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD), vom Deut­schen Elektronensynchrotron (DESY) und European XFEL in Hamburg, des Paul Scherrer Instituts (PSI) in der Schweiz, der TU Dort­mund und vieler anderer Institutionen in sieben Ländern ge­mein­sam.

Originalpublikation: Haynes, D.C., Wurzer, M., Schletter, A. et al. Clocking Auger electrons. Nat. Phys. (2021). DOI: 10.1038/s41567-020-01111-0