TU-Physiker erforschen hybride Grenzflächen und magnetische Phänomene
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Hybride Grenzflächen verstehen – mit Experiment und Simulation
In der ersten Veröffentlichung sind Prof. Cinchetti und der Erstautor Doktorand David Janas gemeinsam mit einem internationalen Team der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Bindung von Fremdatomen bzw. Molekülen auf die Eigenschaften magnetischer Metalloberflächen hat. Wenn eine Oberfläche vollständig und geordnet mit solchen gebundenen Teilchen bedeckt ist, entsteht eine Grenzfläche mit einheitlichen elektronischen und magnetischen Eigenschaften. Derartige hybride Grenzflächen spielen eine wichtige Rolle in katalytischen Anwendungen sowie in elektronischen und spinelektronischen Bauteilen. Wenn man die physikalischen Phänomene und Prozesse, die an solchen Grenzflächen auftreten, besser versteht, kann man ihre Leistungsfähigkeit für neue Technologien verbessern.
Die TU-Physiker haben in ihrer aktuellen Arbeit einen hochreinen Eisenfilm im Ultrahochvakuum mit spektroskopischen Methoden vermessen und untersucht, welche Änderungen durch eine einzelne Lage Sauerstoffatome auf der Oberfläche hervorgerufen werden. Bei dem Messverfahren handelt es sich um die sogenannte Spin-aufgelöste Impulsmikroskopie: Eine Technik, mit der die elektronische und magnetische Struktur von Festkörpern sowie deren Oberflächen vollständig erfasst werden kann.
Die experimentellen Ergebnisse wurden durch theoretische Simulationen ergänzt, die zeigen, wie sich die Elektronen im Metall gegenseitig beeinflussen. Diese gegenseitige Beeinflussung wird auch als Elektronenkorrelation bezeichnet. Es ist komplex und rechnerisch sehr aufwändig, die Elektronenkorrelation in einer Simulation zu berücksichtigen, weshalb sie bislang weitestgehend vernachlässigt wurde. „Mit unserer Arbeit konnten wir nun erstmals zeigen, dass Adsorbate – also die an der Oberfläche gebundenen Teilchen – die Korrelationseffekte zwischen den Elektronen einer Metalloberfläche drastisch verstärken können. Eine solche Verstärkung hat wiederum Einfluss auf die Beschaffenheit der Grenzfläche“, sagt David Janas. „In unserem Fall entsteht so eine völlig neue Materialklasse mit Merkmalen, die weder metallischem Eisen noch isolierenden Eisenoxiden zugeschrieben werden können.“
Die Entdeckung des Teams könnte einen Paradigmenwechsel einläuten, da sie zeigt, dass Elektronenkorrelation nicht bloß als abstrakte theoretische Größe aufzufassen, sondern für das Verständnis von Grenzflächenphänomenen wichtig ist – und die Gestaltung neuartiger Materialien ermöglicht.
An der Veröffentlichung beteiligt sind auch Dr. Stefano Ponzoni und Dr. Giovanni Zamborlini von der TU Dortmund. Die Arbeit ist im Rahmen des EU-Projekts INTERFAST gemeinsam mit Wissenschaftler*innen vom Trinity College Dublin (Irland), vom Forschungszentrum Jülich, von der University of Belgrade (Serbien) und der Universität Augsburg entstanden.
Magnetische Eigenschaften ultraschnell kontrollieren
In der zweiten Veröffentlichung haben Prof. Cinchetti und der Erstautor Doktorand Fabian Mertens zusammen mit einem internationalen Team an einem antiferromagnetischen Van-der-Waals-Halbleiter (FePS3) geforscht. Der Halbleiter gehört zu einer Gruppe von magnetischen Materialien, die vielversprechend für Anwendungen in der Informationstechnik und Spintronik sind, vor allem was ihre Robustheit, mögliche Geschwindigkeit und Miniaturisierung betrifft. Um die Halbleiter technisch einsetzen zu können, muss man allerdings ihre magnetischen Eigenschaften kontrollieren können.
Hier setzt die Forschung des TU-Teams an: Über die gezielte optische Anregung eines elektronischen d-d-Übergangs unterhalb der sogenannten Bandlücke des Halbleiters konnte das Team im Halbleiter eine hochfrequente (3,2 THz) Vibrationsmode (Phonon) der Eisenionen anregen, die eng mit der magnetischen Ordnung des Materials gekoppelt ist. Eine Anregung unterhalb der Bandlücke vermeidet die Erzeugung von freien Elektronen und Wärme. Durch das zusätzliche Anlegen von starken magnetischen Feldern ließ sich eine Hybridisierung dieser Schwingungsmode mit einem Magnon, also einer magnetischen Spinwelle, herstellen – und so eine kohärente magnetische Anregung erzeugen.
Zusätzlich konnte das Experiment auf exfolierte Schichten von wenigen hundert Nanometern dicke angewandt werden, was den Grundstein für die Manipulation von magnetischen Materialien atomarer Dünne legt.
An der Veröffentlichung beteiligt sind auch David Mönkenbüscher und Dr. Umut Parlak von der TU Dortmund. Die Arbeit ist im Rahmen des DFG-Transregios 160 sowie des EU-Projekts SINFONIA gemeinsam mit Forscher*innen der University of Valencia (Spanien), der Johannes-Kepler-Universität Linz (Österreich) und der Universität Konstanz entstanden.
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