Promotionsvortrag von Felix Schwietert
- Verteidigung
Mikrotubuli sind zylinderförmige Filamente und Teil des Zytoskeletts. Ihre Polymerisationsdynamik zeichnet sich durch eine dynamische Instabilität von Wachstums- und Schrumpfphasen aus. Die zufälligen Wechsel vom schrumpfenden in den wachsenden Zustand und umgekehrt werden als Rettungen bzw. Katastrophen bezeichnet. Letztere können experimentellen Beobachtungen zufolge als Mehrschrittprozesse beschrieben werden. Im ersten Teil dieser Arbeit wird das empirische Dogterom-Leibler-Modell der dynamischen Instabilität erweitert, um auszuarbeiten, welche Auswirkungen eine Mehrschrittkatastrophe auf die Längenverteilung eines Mikrotubulus in den Regimen gebundenen und ungebundenen Wachstums hat. Es zeigt sich, dass die Mikrotubuluslängen im gebundenen Regime nicht mehr exponentiell und weniger endlastig verteilt sind, wenn eine Katastrophe aus mehreren Schritten besteht. Wenn Rettungen möglich sind, hat die Verteilung ein Maximum und der Mikrotubulus somit eine wahrscheinlichste Länge, die größer ist als 0. Im Regime ungebundenen Wachstums nähert sich die Längenverteilung einer Normalverteilung an, die mit steigender Anzahl der Katastrophenschritte schmaler wird. In der Mitosespindel sind Mikrotubuli durch Kinetochore mit den Chromosomen verbunden und üben so Kräfte aus, die in der Metaphase zu stochastischen Oszillationen der Chromosomen führen. Im zweiten Teil dieser Arbeit untersuchen wir in Modellen der Mitosespindel die kollektive Dynamik von Mikrotubuli, die durch elastische Federn an Kinetochore gebunden sind. Die Modelle beinhalten die dynamische Instabilität der Mikrotubuli und die Kräfte, die durch die elastischenVerbindungen wirken. Für ein einseitiges Modell mit nur einem Kinetochor, das einer externen Kraft ausgesetzt ist, können mithilfe einer Molekularfeldnäherung Fokker-Planck-Gleichungen aufgestellt und gelöst werden. Aus der Lösung folgt eine bistabileAbhängigkeit der Kinetochorgeschwindigkeit von der externen Kraft. Im zweiseitigen Modell mit zwei elastisch gekoppelten Kinetochoren führt die Bistabilität zu Oszillationen, die denen der Chromosomen in der Metaphase gleichen. Das Modell kann erklären, warum in Zellen mit einem schnellen polwärtigen Mikrotubulusfluss keine Oszillationen beobachtet wurden. Polare Auswurfkräfte gewährleisten im Modell eine Anordnung der Kinetochore am Spindeläquator und führen zu geregelteren Oszillationen mit verringerter Amplitude. Wenn das Modell so geändert wird, dass die Mikrotubuli nur Zugkräfte auf das Kinetochor ausüben können, treten Oszillationen nur unter der Voraussetzung auf, dass in der Nähe der Kinetochore Katastrophen induziert werden. Die Modellparameter können so angepasst werden, dass die modellierten Oszillationen auch in quantitativer Hinsicht mit Messungen in PtK1-Zellen übereinstimmen. Ein wichtiger Bestandteil des Kinetochors sind stäbchenförmige Ndc80-Komplexe, die den Mikrotubulus binden und deren elastischen Eigenschaften als wichtig für die Kraftübertragung vomMikrotubulus auf das Chromosom erachtet werden. Im letzten Teil dieser Arbeit wird eine Methode präsentiert, die es erlaubt, den zeitlichen Verlauf der effektiven Steifigkeit von Ndc80-Komplexen zu ermitteln, die in einer optischen Falle entgegen einer Kraft dem schrumpfenden Ende eines Mikrotubulus folgen. Die Anwendung der Methode auf mehrere Experimente zeigt, dass sowohl der Wildtyp als auch drei weitere Ndc80-Varianten steifer werden, wenn der schrumpfende Mikrotubulus sie unter Spannung setzt. Die gemessene Steifigkeit hat eine annähernd lineare Abhängigkeit von der angelegten Kraft und ist unabhängig vom dynamischen Zustand des Mikrotubulus. Mithilfe eines elastischen Modells kann die Versteifung auf die spezielle Architektur des Ndc80-Komplexes sowie auf das Biegen gekrümmter Protofilamente zurückgeführt werden. Ein Modell mit einer kraftabhängigen Bindungsaffinität reproduziert die lineare Beziehung zwischen Steifigkeit und Kraft.